Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf der Zeit von Beuys‘ Studium der Monumentalbildhauerei an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf zwischen 1946 und 1953 und den ersten Jahren seiner künstlerischen Tätigkeit bis 1955. In dieser Zeit war er unter anderem auch an der Ausführung der Südquerhaustüren des Kölner Domes von Ewald Mataré beteiligt. Eine gesundheitlich bedingte Schaffenskrise in den Jahren 1955 bis 1957 stellte die entscheidende künstlerische Zäsur in seinem Werk dar. Sie wird in der Präsentation exemplarisch an dem plastischen Bild Ohne Titel von 1961 veranschaulicht. Es handelt sich um einen Gipsabguss eines verschollenen Vortragekreuzes des Bildhauers von 1949, der zerbrochen, auf einem Holzbrett montiert und bemalt in einen neuen Kontext gestellt wird.
Zunächst in der Klasse von Joseph Enseling (1886–1957) eingeschrieben, wechselte Beuys im Wintersemester 1947/48 in die Klasse Ewald Matarés (1887–1965), der ihn 1951 zu seinem Meisterschüler ernannte. Da Mataré seine begabtesten Schüler nach dem Vorbild mittelalterlicher Bauhütten in seine Auftragsarbeiten einband, war Beuys 1948/49 unter anderem auch an der Entstehung der vier großen Bronzetüren für den Dom (1948‒1954) beteiligt. Nachweisbar war er für die in den Nachkriegsjahren schwierige Materialbeschaffung, vor allem aber für die Ausführung der Mosaikarbeiten und die Erstellung des Gipsmodells mit der Darstellung der brennenden Stadt Köln auf der Pfingsttür verantwortlich. Als Zeugnisse seiner Mitarbeit sind in der Ausstellung ein Nachguss des Reliefs vom brennenden Köln (1953), das Beuys nach einer Zeichnung Matarés in Gips geschnitten hat, und von ihm unterschriebene Quittungen aus dem Dombauarchiv zu sehen.
Vor allem wird in der Ausstellung aber eine vielseitige Auswahl an Zeichnungen, Entwürfen und plastischen Werken aus dem Frühwerk des Künstlers gezeigt, die vielfach als Akademiearbeiten, teilweise aber auch als freie Arbeiten entstanden sein dürften. So war Beuys seit 1947 regelmäßig mit eigenen Werken auf Ausstellungen des Rheinischen Künstlerbundes vertreten. Die frühen Arbeiten zeugen von der großen Begabung des jungen Künstlers und von seinem Suchen nach eigenem künstlerischem Ausdruck. Vielfach bezeugen sie auch die Auseinandersetzung mit dem Werk seines Lehrers Ewald Mataré und anderer Künstler. Der Einfluss Matarés tritt etwa in Beuys‘ Tierplastiken, so bei den in der Ausstellung gezeigten Schafen (1948) sowie in einigen seiner frühen Werke aus dem christlichen Themenfeld zutage. Auf diesen liegt der Schwerpunkt der Ausstellung. In mehreren ausgestellten Zeichnungen und plastischen Arbeiten hat sich Beuys etwa mit dem Kreuz auseinandergesetzt, das teils als Zeichen des Opfertodes, teils als Symbol der Auferstehung interpretiert oder mit dem Sonnensymbol verknüpft wird. Auch andere christliche Themen wie die Madonna aus einer Krippe (1955), die Begegnung Christi mit der hl. Veronika (1948) oder mehrere Darstellungen der Pietà zeugen von der katholischen Prägung des jungen Künstlers und seiner profunden Kenntnis christlicher Ikonographie. Viele Entwürfe und Plastiken zeigen, dass sie für einen kirchlichen Kontext konzipiert worden sein dürften, auch wenn Beuys im Gegensatz zu seinem Lehrer kaum kirchliche Aufträge erhielt. Dies gilt etwa für die 1948 entstandenen Entwürfe für ein Taufbecken als Studienaufgabe Matarés oder das im selben Jahr entstandene Weihwasserbecken, vielleicht auch für seine Leuchter von 1949/50.
1980 hat sich Beuys in einer Auftragsarbeit zu einer Ausstellung des Museums Ludwig und des Kölnischen Kunstvereins zum Jubiläum des 100sten Jahrestages der Domvollendung erneut mit den Bronzeportalen des Domes auseinandergesetzt. Basis seiner Arbeit waren vier große Fotoleinwände der Portale, die er durch partielles Bekleben mit Filz und Beschriften mit brauner Farbe verfremdet hat. Eine Leinwand aus dieser Arbeit wird in der Domschatzkammer präsentiert. Begleitend zum Entstehungsprozess dieser Auftragsarbeit gab Beuys dem Kunsthistoriker und damaligen Leiter des Kölnischen Kunstvereins Wulf Herzogenrath ein Interview, in dem er ausführlich über seine Mitarbeit an den Bronzetüren berichtete, sich aber auch künstlerisch von deren Gestaltung durch Mataré distanzierte. Sowohl in seiner Auftragsarbeit als auch im Interview vermerkte Beuys das Fehlen seines Rasierspiegels, den er auf der Bischofstür ins Mosaik mit dem Wappen Josef Kardinal Frings inmitten des Bistumskreuzes eingesetzt hatte, um eine Lichtreflexion zu erzeugen. Die Mosaiken mussten aufgrund des Mörtels, der sich schlecht mit dem Metallträger verband, bereits in den 1960er-Jahren erneuert werden; anstelle des Spiegels wurden dabei schwarze Mosaiksteine eingesetzt. Das Interview ist im Ausstellungskatalog mit einer einleitenden Anmerkung von Wulf Herzogenrath wiederabgedruckt.
Bei den in der Schatzkammer ausgestellten Zeichnungen und Skulpturen handelt es sich um Leihgaben des Museums Kurhaus Kleve – Ewald-Mataré-Sammlung, der Stiftung Museum Schloss Moyland, des Kunstmuseums des Erzbistums Köln Kolumba und der ARNDT Collection Berlin/Melbourne. Finanziert wurde die Ausstellung durch die Kulturstiftung Kölner Dom. Ihnen allen gebührt unser tiefer Dank.
Die Domschatzkammer ist täglich von 10:00 bis 18:00 Uhr geöffnet. Für einen Besuch gelten die jeweils aktuellen Regeln zum Infektionsschutz. Zurzeit wird das Tragen einer FFP2-Maske erbeten.